Bodenuntersuchung mit dem Mikroskop
Mit meinem Umstieg auf Mob Grazing vor 2 Jahren hat mich der „Soil Bug“ erwischt – die Faszination für Bodengesundheit und dafür, wieviel es dabei zu lernen und entdecken gibt.
Ein gesunder Boden ist die sprichwörtliche Eierlegende Wollmilchsau:
+ Gesunde Lebensmittel + Autarke, wirtschaftlich starke landwirtschaftliche Betriebe + Biodiversität + Hochwasserschutz durch Böden, die Wasser rasch aufnehmen + Übertauchen von Dürren durch hohe Wasserspeicherfähigkeit der Böden + Ernährungssicherheit + Stopp der Erderwärmung durch Kohlenstoffspeicher im Boden, etc.
Erschreckend, wie wenig ich darüber in meiner langen landwirtschaftlichen Ausbildung gelernt habe. Ein weiterer Vorteil, wenn man sich bei dem Thema etwas genauer auskennt ist, dass man was zu lachen hat, wenn die Bosse von Agrochemiekonzernen erklären, man brauche jetzt weniger Bio um die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten. Oder wenn der Verein „Land schafft Leben“ eine Studie veröffentlicht, in der erklärt wird, dass Bio gesamt gesehen eigentlich umweltschädlicher ist, weil man mehr Fläche braucht.
Deshalb starte ich eine Artikelserie „Bodengesundheit“. Mikroskopie gleich zu Beginn ist zwar etwas sperrig, aber sie eignet sich gut dazu, einen Überblick zu bekommen:
Dr. David Johnson konnte in bannbrechenden Versuchen feststellen, dass mehr pflanzenverfügbare Nährstoffe im Boden nur dann mehr Ertrag bringen, wenn der Boden biologisch wenig aktiv ist. (Leider sind die meisten landwirtschaftlichen Böden biologisch wenig aktiv.) Die höchsten Erträge konnte Dr. Johnson in den biologisch aktiven Böden finden – dort waren aber durch die chemische Bodenuntersuchung kaum pflanzenverfügbare Nährstoffe zu finden! Diese waren in der Biologie gebunden und wurden bei Bedarf von den Pflanzen abgerufen.
Je größer der Anteil von Pilzen im Vergleich zu Bakterienbiomasse im Boden, umso höher die biologische Aktivität und umso höher die Erträge. Das „Pilz: Bakterien – Verhältnis“ ist also entscheidend für einen gesunden Boden. Dieses und mehr kann man mit einem Mikroskop feststellen.
Überblick über die wichtigsten4 „Player“ des mikroskopisch kleinen Bodenlebens:
+ Bakterien
Sie sind am Beginn der Nahrungskette, bilden Klebstoffe um nicht von ihrem Futter weggewaschen zu werden – das erzeugt Mikroaggregate. Sie können sich unter optimalen Bedingungen sehr schnell vermehren, „fressen“ leicht verdauliche Nährstoffe (Zucker, Eiweiß). Bakterien sind Spezialisten – können also oft nur eine Nährstoffart verarbeiten. Im Mikroskop wird’s dann interessant, wenn der Boden voller Krankheiten ist – pathogene Keime haben nämlich interessante Formen: schlangenartige Bakterien, Korkenzieher oder sich um die eigene Achse drehende Beistriche. Wie im echten Leben – das Böse hat eine eigene Faszination. Besser natürlich, man findet nichts dergleichen.
Aktinobakterien wurden früher für Pilze gehalten, da sie ebenfalls lange Fäden bilden – allerdings dünner. Mit freiem Auge sind sie sichtbar als weiße Schicht in einem Komposthaufen, der anaerob geworden ist. Aktinobakterienreicher Boden ist ideal für Kohlgemüse. Alle anderen Kulturpflanzen bevorzugen pilzreiche Böden.
+ Bodenpilze
Mykorrhiza Pilze bilden eine perfekte Symbiose mit den Pflanzen – sie docken sich direkt an die Wurzel an, werden von ihr mit Zucker versorgt, organisieren ihr im Gegenzug Mineralstoffe (z.B. Phosphor – es gibt keinen weltweiten Phosphormangel!) und auch Wasser. Im Idealfall können verschiedenste Pflanzen über ein und dieselbe Mykorrhiza verbunden sein. Ein Pilz kann z.B. einem Nadelbaum mit der Energie eines Laubbaums aushelfen, wohl „wissend“, dass der Nadelbaum ihn in der Zeit versorgen wird, wo der Laubbaum keine Blätter hat.
Aber auch die meisten anderen Pilze, die keine direkte Symbiose mit den Pflanzen eingehen, sind wertvoll. Sie bauen schwer verdauliche Substanzen (Zellulose, Lignin, Fette) zu stabilen Kohlenstoffverbindungen um (Dauerhumus). Aus den Mikroaggregaten formen sie mit ihren Hyphen (Pilzfäden) Makroaggregate – also eine krümelige Bodenstruktur. Wertvolle Pilze halten krankmachende Pilze in Schach. Im Mikroskop kann man das leicht unterscheiden: die „guten“ sind färbig, regelmäßig und haben Hyphen mit breiteren Durchmessern. Die „bösen“ sind unregelmäßig, durchsichtig und dünn.
So wertvoll die Pilze sind, so empfindlich sind sie gegenüber zu starker Bodenbearbeitung und dem Einsatz von Agrochemie.
+ Protozoen
sind Einzeller, die Bakterien fressen und durch ihre Ausscheidungsprodukte die in den Bakterien gespeicherten Nährstoffe wieder den Pflanzen verfügbar machen. Sieht man torkelnde Flagellate (Geiseltierchen) oder behäbige Amöben, so ist das ein gutes Zeichen – die gibt’s nur bei aeroben Bodenverhältnissen. Rasen jedoch die größeren und irrsinnig flinken Cilliate (Wimperntierchen) durch den Bildausschnitt, so hat man ungesunde anaerobe Böden.
+ Nematoden
sind winzige Würmer, es gibt Bakterienfresser, Pilzfresser, Allesfresser, die „bösen“ Pflanzenfresser erkennt man gut am Speer, mit dem sie die Wurzeln anbohren. Zum Glück gibt’s in einem gesunden Boden auch Raubtiernematoden und sogar Pilze machen spezielle Fallen, in denen sie die pflanzenfressenden Nematoden fangen und anschließend aussaugen können.
Wie so vieles kann man die Bodenmikroskopie heutzutage online lernen. (Ich z.B. bei soilfoodweb.com von Dr. Elaine Ingham – gut, aber nicht ganz billig). Mein Fazit aus den Boden- und Kompostproben, die ich bis jetzt untersucht habe (etwa 20 Untersuchungen): es gibt durchwegs zu wenig Pilze und Nematoden – da ist Handlungsbedarf.
Das Mikroskop kann sehr hilfreich sein, es gibt aber viele andere – auch einfachere – Methoden um die Bodengesundheit zu analysieren und schließlich zu verbessern. Mehr dazu beim nächsten Mal.