SLAPP - mehr als eine Watsche gegen die Meinungsfreiheit
SLAPP - „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“, auch Einschüchterungsklagen genannt, nehmen in Europa zu: Hintergründe und wie sich europas Zivilgesellschaft wehrt! Unerwünschte Kritiker/innen vor Gericht zu zerren ist ein Vorgehen, das wir aus autoritären Staaten kennen. Die Wahrheit zu sagen ist kein Verbrechen, die Meinungsfreiheit ein hohes Gut in demokratischen Staaten – und doch landen auch bei uns immer häufiger Menschen vor Gericht, die v.a. ökologische und soziale Missstände anprangern. Unternehmen, Regierungen und mächtige Einzelpersonen versuchen, kritische Stimmen mit sogenannten SLAPP-Klagen zum Schweigen zu bringen.
SLAPP was ist das?
SLAPP =
„strategic lawsuits against public participation“ –
„Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ –
„Slap“ bedeutet auf Englisch auch „Ohrfeige“!
Nicht nur Umweltschützer/innen bekommen regelmäßig eine SLAPP-Ohrfeige verpasst, sondern auch Journalist/innen, Wissenschaftler/innen, Vertreter/innen von Gewerkschaften und viele andere Stimmen der kritischen Öffentlichkeit.
Solche Einschüchterungsklagen sollen dabei nicht nur die betroffenen Personen einschüchtern, sondern die Gesellschaft an sich. Denn je häufiger solche Klagen werden, desto eher werden sich Menschen fragen, ob sie das Risiko wirklich eingehen wollen, ökologische, soziale oder andere Missstände öffentlich zu kritisieren.
Dieser sogenannte „Chilling Effect“ ist ein weiteres Ziel von SLAPPs. SLAPPs sind ein direkter Angriff auf grundlegende Menschenrechte, sie bedrohen die Demokratie im Kern.
SLAPP-Initiatoren geht es nicht in erster Linie darum, vor Gericht Recht zu bekommen, sondern darum, die finanziellen und zeitlichen Ressourcen der Angeklagten zu erschöpfen.
David gegen Goliath
Üblicherweise zerren Unternehmen mit viel Geld und Macht Einzelpersonen vor Gericht, die nicht ansatzweise über vergleichbare Mittel verfügen.
Die Kläger/innen, die sich problemlos teure Anwält/innen leisten können, haben nichts zu verlieren, während sich die Angeklagten mit dem finanziellen Ruin oder sogar mit Gefängnisstrafen konfrontiert sehen. Selbst wenn die Klage abgewiesen wird oder das Gericht zugunsten der „ge-slappten“ Person entscheidet, muss die Gegenseite mit keiner Strafe für den Justizmissbrauch rechnen.
In der Debatte rund um SLAPPs stellt sich die Frage: Wer sollte zur Verantwortung gezogen werden: diejenigen, die die Umwelt zerstören und Menschenrechte mit Füßen treten oder diejenigen, die darüber berichten?
Europas Zivilgesellschaft wehrt sich
Um den undemokratischen Angriffen auf grundlegende Menschenrechte endlich ein Ende zu setzen, hat sich die Coalition against SLAPPs in Europe (CASE) gegründet, der auch das Umweltinstitut München beigetreten ist.
Setzen wir uns nicht zur Wehr, werden grundlegende Rechte auf Meinungs-und Informationsfreiheit beschnitten. Das CASE-Bündnis will deshalb die Widerstandskraft der Zivilgesellschaft stärken, indem sie Betroffene unterstützt und für eine europäische Gesetzgebung gegen den Justizmissbrauch kämpft.
Gemeinsam mit Verbündeten aus ganz Europa kämpfen sie für ein europäisches „Anti-SLAPP-Gesetz“ in Form einer EU-Richtlinie, die von allen EU-Ländern in nationales Recht umgesetzt werden muss. Anders, als in vielen Ländern außerhalb der EU, gibt es bisher in keinem einzigen EU-Mitgliedsstaat Anti-SLAPP Gesetze.
Als ersten Erfolg konnte das CASE-Bündnis bereits 2020 vermelden, dass die Relevanz von Anti-SLAPP-Maßnahmen bei den Institutionen der Europäischen Union angekommen ist. So warnte die Menschenrechtskommissarin des Europarats Dunja Mijatovic vor der ernstzunehmenden Gefahr für die Demokratie durch SLAPPs. Außerdem kündigte die EU-Kommission im Europäischen Aktionsplan für Demokratie an, eine Initiative gegen SLAPPs auf den Weg zu bringen. Eine Petition vom Umweltinstitution München fordert ein derartiges europäisches Anti-SLAPP-Gesetz und kann unter diesem Link unterzeichnet werden:
Untersuchungen von Greenpeace weisen darauf hin, dass SLAPPs auch in Europa in den letzten Jahren stark zugenommen haben. Anhand einer Auswahl von 215 Fällen aus zehn Jahren wurde zwischen 2018 und 2019 ein Anstieg von 75% festgestellt. Greenpeace konnte SLAPPs in 25 europäischen Ländern identifizieren, worunter Frankreich, Irland, Italien und Polen besonders hervorstachen.