Skip to main content
27.05.2024 News

Moun­tain­bi­ke (MTB) und Haf­tung

Laut Ministerratsbeschluss der Bundesregierung Mitte April 2024 soll die externe Stelle „MTB-Koordination-Österreich“ zukünftig eine einheitliche bundesweite Strategie unter Beteiligung aller Bundesländer und der vier Ministerien entwickeln.

Mit der MTB-Strategie will man der Nachfrage an MTB-Strecken gerecht werden und gleichzeitig die Potenziale des Wirtschaftsstandorts, des Tourismus und der Regionen fördern. Die Erweiterung des Angebotes zur Naherholung für die Bevölkerung erfolgt dabei unter Einhaltung von Grund- und Eigentumsrechten und unter Berücksichtigung des Schutzes der Natur und der österreichischen Wälder.

Für uns Bäuer:innen ist die Einhaltung von Grund- und Eigentumsrechten essentiell, geht es bei der Benützung unserer Grundstücke mit MTBs doch um immense Haftungsfragen, die unter Umständen auch existenzgefährdend sein können.

Die Notwendigkeit einer guten Strategieentwicklung zeigt auch das Beispiel einer Osttiroler Agrargemeinschaft, die ein 100 ha großes Almgebiet in den Lienzer Dolomiten bewirtschaftet. Eine eher felsige, schroffe Gegend, die ursprünglich nur „hart gesottene“ Mountainbiker veranlasste eine Tour dorthin zu unternehmen.

Das Aufkommen der E-Bikes und der Verleih dieser durch eine Berghütte im Almgebiet ohne Absprache mit der Agrargemeinschaft, führten 2018 auf dieser Alm zu einem immensen MTB-Verkehr auf dem vorhandenen Fahr-, Wanderwegen und Almwiesen. Die Gesetzeslage ist so, dass auf österreichischen Forstwegen ohne Erlaubnis der Grundbesitzer und Wegehalter ein Radfahrverbot herrscht.

Dies Veranlasste den Ausschuss dieser Agrargemeinschaft das MTB-Modell 2.0 zu etablieren. Oberflächlich betrachtet eine Erfolgsgeschichte und ein Nutzungsübereinkommen zwischen den Grundbesitzern, Wegehaltern und dem Tourismusverband, garantierte es Konfliktlösungen und den Übergang der Wegehalterhaftung an die Tourismusverbände.

Jedoch genaue Recherchen einiger Agrargemeinschaftsmitglieder ergaben ungeklärte Haftungsfragen. Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung schien unabdingbar und besonders schwer wog zudem, dass man durch den Abschluss des MTB-Abkommens in der Unfallfrage sogar eine zivilrechtliche Haftung der Tierhalter tragend wird.

Diese ungeklärten Haftungsfragen führten zur Agrarbehörde, zum Landesverwaltungsgericht und im Zuge einer außerordentlichen Revision vor den Verwaltungsgerichtshof, fanden aber keinerlei Beachtung fanden. Ungehört der Forderung der recherchierenden Agrargemeinschaftsmitglieder sie schad- und klaglos zu halten erfolgte 2020 die feierliche Eröffnung der neuen MTB- Route in den Lienzer Dolomiten.

Den Abschluss einer Haftpflichtversicherung fand man ausreichend und die minimale finanzielle Abgeltung für die Wegehalterinnen wird bereits zur Hälfte von der Versicherung verschlungen, rechnet man die zusätzlichen Haftpflichtversicherungen der Tierhalter:innen dazu, zahlt man erheblich drauf.

Auch die Landwirtschaftskammer Tirol, sich dieser Probleme bewusst, machte sich gemeinsam mit den Bundesforsten auf den Weg zum Land Tirol, um eine10fache Erhöhung der bisherigen Wegehalterabgeltung zu fordern, leider erfolglos.

Große Bewegung in dieses Thema brachte ein OGH-Urteil aus Salzburg im September 2023. Dabei hatte eine verunfallte Mountainbikerin versehentlich eine forstliche Weggemeinschaft, die sich durch ein MTB-Nutzungsübereinkommen abgesichert fühlte, anstatt des Tourismusverbandes geklagt. Das Urteil sieht den Tourismusverband nur als Mithalterin und die Weggemeinschaft aufgrund Errichtung und Nutzung des Weges als Halterin und damit haftbar.

Aus diesem Grund stand jetzt das Land Tirol unter Zugzwang eine schad- und klaglose Variante zu erarbeiten, wo auch die Abgeltung für Wegehalter minimal erhöht wurde. Wie bereits 2018 gefordert, können jetzt die Agrargemeinschaftsmitglieder in den Lienzer Dolomiten nach einem weiteren Einspruch und einer Verhandlung im April 2024 nun auch schriftlich eine Schad- und Klagloshaltung in ihrem Nutzungsübereinkommen vorweisen.

Das bisher entwickelte Nutzungsübereinkommen in Tirol ist nur als Anfang zu sehen, ist man doch weiterhin mit vielen Nutzungskonflikten in Bezug auf Mountainbikestrecken konfrontiert: genehmigte Strecken werden verlassen, nicht genehmigte Wege, Almweiden, Waldgrundstücke etc. werden weiterhin unerlaubt befahren und auf stark frequentierten Wegen ist eine Alm- und Waldbewirtschaftung nur mehr erschwert möglich.

Die externe Stelle „MTB-Koordination-Österreich“ zu installieren und eine einheitliche bundesweite MTB-Strategie zu entwickeln ist sehr bedeutsam. Ein Ausbau der Radregion ist nur mit Unterstützung der Wegehalterinnen möglich, aber hier muss auf die Entwicklungen und Probleme der letzten Jahre eingegangen werden, es müssen gemeinsame Lösungen gefunden werden und eine entsprechende Abgeltung sollte stattfinden.

Portrait von Brigitte Amort
Brigitte Amort

Vorstandsmitglied GBB Österreich

Sprecherin GBB Tirol

Kammerrätin Tirol

[email protected]
Beitrag teilen
1
2
3
4
5
6
7
8