Skip to main content
20.12.2024 News

Fak­ten­check Re­na­tu­rie­rungs­ge­setz

Die ÖVP und der Bauernbund laufen Sturm gegen den Schutz unserer Natur und verbreiten dabei auch jede Menge Falschbehauptungen. Was steht also jetzt wirklich drin im Gesetz zur Wiederherstellung der Natur?

Falschbehauptung:

Das Gesetz gefährde unsere Ernährungssicherheit.

Fakt:

Die Europäische Landwirtschaft ist exportorientiert und erzeugt mehr als genug. Tatsächlich sind rund zwei Drittel der EU-Getreideproduktion und 70 % der Ölsaatenproduktion der EU für Tierfutter bestimmt. Ein großer Teil des Weizens landet auch in Biosprit. 20 % der Lebensmittel werden sogar weggeworfen. Was tatsächlich unsere Ernährungssicherheit gefährdet, ist die Klima- und Biodiversitätskrise. Nur gesunde Ökosysteme liefern trinkbares Wasser, saubere Luft, fruchtbare Böden und aktive Bestäuber. Das Gesetz sagt: 10 % Landschaftselemente sind Indikatorwert (keine Pflicht!) für Vielfalt in der Agrarlandschaft. Dazu zählen: Obstbäume, Hecken, Tümpel usw. Es geht nicht darum, die Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Flächen zu verbieten. Wichtig ist aber, dass die Bewirtschaftung nachhaltig erfolgt.

Falschbehauptung:

Die EU-Kommission habe keine Folgenabschätzung durchgeführt. 

Fakt:

Die Folgenabschätzung umfasst mehrere hundert Seiten. Da die Mitgliedstaaten großen Spielraum bei der Umsetzung haben, ist noch größere Detailtiefe nicht möglich. 

Falschbehauptung:

30 % der Landesfläche können nicht mehr genutzt werden. 

Fakt:

30 % besonders wertvoller Ökosysteme, die in schlechtem Zustand sind, sollen renaturiert werden und nach der Renaturierung in gutem Zustand bleiben. Auch hier ist die Nutzung weiterhin möglich.

Falschbehauptung:

Für Moorrenaturierung sollen Dörfer abgerissen werden. 

Fakt:

Bis 2030 sollen 30% der Moorböden revitalisiert werden, teilweise durch Wiedervernässung. Mitgliedstaaten wählen Flächen aus. Landwirtschaftliche Nutzung (z.B. Paludikultur oder extensive Weidehaltung) bleiben dabei explizit erlaubt.

Falschbehauptung:

Landwirt:innen würden nun im Namen des Naturschutzes enteignet. 

Fakt:

Entgegen konservativer Überspitzungen und Falschinterpretationen wird das Renaturierungsgesetz (Gesetz zur Wiederherstellung der Natur) keine Enteignungen ermöglichen. Es schreibt keine Bewirtschaftungsweisen vor und könnte dies auch nicht, da die EU in diesem Bereich über keine Kompetenzen verfügt. Das Gesetzt sieht vor, den Mitgliedsstaaten die Flexibilität zu geben, für den nationalen Kontext und involvierte Landbesitzer:innen die jeweils besten Werkzeuge zu nutzen. Dies kann Kompensationsmaßnahmen oder Finanzanreize beinhalten. Da der rechtliche Rahmen für Landbesitz länder- bzw. regionalspezifisch ist, ist es wichtig, dass die Mitgliedsstaaten die bestmögliche Lösung finden.

Falschbehauptung:

Es gäbe keine Finanzierung. 

Fakt:

Geld, das für die Natur ausgegeben wird, ist eine Investition und kein Kostenfaktor. Nach Angaben der Europäischen Kommission erbringt jeder in die Wiederherstellung der Natur investierte Euro eine Rendite von 8 bis 38 Euro – ein Nutzen, der sich aus den zahlreichen Leistungen gesunder Ökosysteme ergibt, wie z. B. die Bestäubung von landwirtschaftlichen Nutzpflanzen oder der Extremwetterschutz. Der laufende mehrjährige Finanzrahmen der EU sieht einen steigenden Anteil an Ausgaben für die Artenvielfalt vor, ca. 16 Mrd. € jährlich, als Teil derer die Wiederherstellungsmaßnahmen gesehen werden. Ein Großteil der jährlichen Sanierungskosten von 8,2 Mrd. € könnte daher damit gestemmt werden können. Die Finanzierung kann auch über LIFE-Programme, die Aufbau- und Resilienzfazilität (RRF), den Repair-EU Fonds, Regionalentwicklungsfonds oder den Kohäsionsfonds und viele weitere erfolgen. Auf Mitgliedsstaatenebene hat Österreich bereits einen Biodiversitätsfonds eingerichtet, der teilweise aus RRF und nationalen Töpfen finanziert wird.

Falschbehauptung:

Bäuer:innen müssten jetzt Schmetterlinge zählen. 

Fakt:

Zur Feststellung der Biodiversitätszunahme können verschiedene Faktoren herangezogen werden – ein Beispiel ist die Schmetterlingspopulation. Diesen Schmetterlingindex gibt es jetzt schon und wird von Expert:innen erhoben, das wird auch zukünftig der Fall sein.

Falschbehauptung:

Die EU verursache Bürokratie für Bäuer:innen.

Fakt:

Das Gesetz, das auch von den Mitgliedsstaaten beschlossen wurde, gibt einen Rahmen vor. Die tatsächlichen Maßnahmen sowie damit zusammenhängender Bürokratieaufwand wird auf nationaler Ebene – also im Landwirtschaftsministerium beschlossen. Wir Grüne fordern seit Langem mehr Digitalisierung in diesem Bereich, um Daten schneller und effizienter verarbeiten zu können. Landwirtschaftsminister Totschnig sollte seine Energie lieber hierfür verwenden, als die für uns Landwirt:innen so notwendige Renaturierung zu verteufeln.

Tom Waitz
Thomas Waitz

Vorstandsmitglied GBB Österreich + Steiermark

Europaabgeordneter

Biobauer, Imker und Forstwirt

Beitrag teilen
1
2
3
4
5
6
7
8